Jeder von uns produziert im Jahr ungefähr 617 kg Haushaltsmüll. Bei einer 3-köpfigen Familie kommen so im Jahr fast zwei Tonnen Müll zusammen. Sicherlich möchte das keiner von uns in der Wohnung lagern müssen. Es gibt die typischen Müll-Sünden, die sich als “Feindbilder” etabliert haben: Die in Plastik eingeschweißte Gurke, die Plastiktüten oder die Kaffeekapseln. Es gibt einige Alternativen, die angepriesen werden. Sind diese aber wirklich besser? Unsere COSMO-Nachhaltigkeitsexpertin Shia Su ist dem nachgegangen.
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Shia, was sagst du denn dazu? Kaffeemaschine statt Kaffeekapseln, Papiertüte statt Plastiktüte, TetrapaK statt PET-Flasche – sind das wirklich gute Alternativen?
Ja, es stimmt schon, dass wir da manchmal eine Doppelmoral betreiben. Also, PET-Flaschen, Coffee-to-go-Becher, Kaffeekapseln, Plastiktüten und Co. sind schon echte Umweltverschmutzer. Viele Alternativen, die angepriesen werden, sind auch nicht gerade umweltfreundlich, aber das wird eben häufig vergessen. Sie verbrauchen häufig ebenfalls viele Ressourcen, nur eben an nicht ganz so sichtbarer Stelle wie Müll, sondern eher bei der Produktion oder im Betrieb.
Shia, die in Plastik eingeschweißte Gurke ist ja quasi ein Symbol für unnötigen Müll geworden. Es gibt aber auch Stimmen, die sich dafür stark machen, denn solche Verpackungen beugen ja Lebensmittelverschwendung vor. Was sagst du denn dazu?
Die Gurke an sich kommt ja von Natur aus schon mit einer Schutzschicht. Klar, wir können ihr eine zusätzliche aus Plastik geben, um sie ein paar wenige Tage länger haltbar zu machen. Damit bekämpfen wir aber nur ein Symptom und nicht die Ursache von Lebensmittelverschwendung, Verpackungsmüll mal ganz außer Acht gelassen.
Ein Grund, warum man sich so drastisch bemüht, die Haltbarkeit zu verlängern, ist, weil unsere frischen Lebensmittel inzwischen selten aus der Region kommen, d.h. sie müssen längere Transportwege und die Umverteilung in mehreren logistischen Stationen überstehen. Ein anderer Grund ist, dass vieles, was optisch nicht hochglanzmagazin-tauglich, aber ansonsten einwandfrei ist, direkt schon aussortiert und entsorgt wird. Meiner Meinung nach wäre es viel sinnvoller, da anzusetzen, anstatt einfach alles in Plastik zu hüllen.
Was ist denn mit Plastiktüten? In vielen Geschäften wurden sie verbannt. Stattdessen gibt es meistens im braune gehaltene Papiertüten. Sind diese aber wirklich umweltfreundlicher?
Die Papiertüte hat tatsächlich ein besseres Image als sie es verdient. Sie braucht nämlich in der Gewinnung und Produktion erst mal mehr Ressourcen und Energie als die Plastiktüte. Das liegt einfach daran, dass dicker sein muss, um das gleiche Gewicht auszuhalten. Die Plastiktüte richtet aber viel mehr Umweltschäden an, wenn sie es nicht zur Müllaufbereitung schafft. Die wirklich umweltfreundliche Alternative ist der Jute-Beutel.
TetraPaks gelten als umweltfreundliche Alternative zu PET-Flaschen, weil sie zum Großteil aus Papier bestehen. Stimmt das?
Jain. Es stimmt, dass sie einen geringeren Plastikanteil haben als PET-Flaschen, die wiederum zu 100% aus Plastik bestehen. Theoretisch sind sie recyclebar. Aber sie sind sehr schwer zu recyceln, weil viele Materialschichten miteinander verklebt sind. Diese müssen erst mal voneinander getrennt werden. Das ist gar nicht so einfach. Dazu müssen spezielle Anlagen nur für Getränkekartons gebaut werden. Davon gibt es nur ⅔ in Deutschland. Es müssen also alle Kartons dahin gefahren werden. Viele Kartons sind auch zu dreckig und können deshalb nicht recycelt werden. Das umweltfreundlichste ist es, sich an Leitungswasser und Getränke in Mehrweg-Glasflaschen aus der Region zu halten.
Was ist mit den Kaffeekapseln? Ist das gute alte Kaffe kochen in der Kaffeemaschine wirklich besser?
Es hängt davon ab, wie man seinen Kaffee kocht. Eine Siebträgermaschine hängt meistens den ganzen Tag einsatzbereit am Strom und lohnt sich aber erst nach ca. 10 Tassen am Tag. Es ist natürlich eine Energieverschwendung, wenn man sich nur einmal an Tag einen Espresso zubereitet. Sich gleich einen Liter Filterkaffee aufzusetzen, wenn man aber nach zwei Tassen schon zu einem nervösen Augenzucken tendiert, ist natürlich auch nicht sinnvoll. Es stimmt, dass man sich bei Kapseln kleine Mengen zubereiten kann, aber das geht genauso gut mit einem Espressokännchen oder einer French Press Kanne. Das sind die Dinger, wo man das Sieb runter drückt. Low Tech bedeutet generell auch, dass in der Produktion weniger Ressourcen aufgewendet werden mussten.
Und dann kann man mit gutem Gewissen seinen Kaffee genießen?
Was in dieser Diskussion immer ausgeblendet wird: Kaffee ist für die Umwelt ziemlich belastend. Kaffeebohnen haben einen CO2-Abdruck vergleichbar zu Rindfleisch, also einen sehr schlechten. Und um eine Tasse Kaffee herzustellen, braucht man ganze 160 Liter Wasser. Ich liebe Kaffee und trinke auch Kaffee. Aber lieber weniger, dafür mit Genuss.
Jennifer
Ich hab mir ein Vollautomaten geholt und die Kaffee Tüten bekommt eine Kundin die macht daraus Taschen
majo
Als mein Freund von French-Press zu einer Kaspelmaschine gewechselt ist, war ich zunächst gar nicht begeistert aufgrund des zusätzlichen Verpackungsmülls. Jedoch habe ich dann eine interessante Studie gelesen, dass Kapselkaffee ökologisch gesehen sogar besser ist als Filterkaffee. Das liegt daran, dass, wie du oben beschrieben hast, der Kaffeeanbau an sich das umweltschädlichste ist und gar nicht der Transport und die Verpackung. Bei Kapselkaffee braucht man pro Tasse weniger Kaffeepulver da Druck, Temperatur und Menge perfekt aufeinander abgestimmt sind. Ob man trotzdem fragwürdig Großkonzerne unterstützen will ist eine andere Sache ... ich fande die Erkenntnis nur wirklich erstaunlich und hat mich dazu angeregt die Sachen mehr zu hinterfragen die per se als schlecht/umweltschädlich abgestempelt werden.
shia
Es gibt übrigens auch wiederverwendbare Kapseln aus Edelstahl, die man selber befüllen kann ;). Beim Verpackungsmüll bin ich mir ziemlich sicher, dass in der Studie wie so häufig nur die Ressourcen der Herstellung, aber nicht die Umweltfolgen wie z.B. das Plastik im Meer und deren Kosten berücksichtigt wurden. Am Ende denke ich übrigens, dass weniger Kaffee trinken die umweltfreundlichste Alternative ist.