Wir werden sehr häufig gefragt, wie wir das mit Urlaub machen. Die Wahrheit ist: Wir sind sehr schlecht darin, Urlaub zu machen... Aber: Ehrlich gesagt finden wir das gar nicht schlimm!
Uns ist es nämlich deutlich wichtiger, unseren Alltag so zu gestalten, dass wir nicht das Gefühl haben, dass wir keinen Urlaub mehr als Kompensation für den Stress brauchen! Seit über vier Jahren sind wir also dabei, unseren Alltag zu entschleunigen.
Irgendwie macht es mich einfach nicht so an, mich das ganze Jahr über gefühlt zu Tode zu schuften und dann einmal im Jahr abzuhauen, um mich so weit weg wie möglich von dem Stress zu erholen.
Hab ich natürlich früher auch gemacht, aber ehrlich gesagt war das alles irgendwie unbefriedigend. Wenn im ersehnten Urlaub dann irgendwas schief läuft bin ich das ganze nächste Jahr noch ungenießbar.
Nee, nee. Ich möchte lieber ein entspanntes Jahr, statt 50 Wochen Stress und 2 Wochen Flucht. Ist einfach nicht so mein Konzept.
Inhaltsverzeichnis:
🧑💻 Arbeit und Urlaub
Ich bin eine kleine ich-AG, also selbstständig. Was mit Medien und so. Heißt: Ich arbeite selbst und das ständig.
Das stört mich tatsächlich nicht. Im Gegenteil, ich liebe die Freiheit, mich bei gutem Wetter zum Arbeiten in ein nettes Café setzen und im Winter gemütlich in einer Decke eingemümmelt vom Sofa aus arbeiten zu können. Und wenn mir danach ist mach ich ein Nickerchen zwischendurch.
Ich genieße die Freiheit, das meiste (weitesgehend) zu Tageszeiten machen zu können, die zu meinem Biorhythmus und nicht zu den sozial vorgegebenen Arbeitsstunden passen.
Diese Freiheiten bedeuten allerdings auch, lernen zu müssen, auch mal Feierabend zu machen und abzuschalten. Auf sich selbst zu achten.
Und Urlaub ist für mich ehrlich gesagt das Gegenteil davon.
Zwei Wochen vorher fange ich also schon an, Dinge vorzuarbeiten und Vorkehrungen zu treffen, dass trotzdem für alles gesorgt ist. Denn ich habe keine Urlaubsvertretung!
Und trotzdem komme ich aus der einen Urlaubswoche zurück (länger habe ich noch nicht ausprobiert) und bin dann mindestens die zwei Wochen nach dem Urlaub damit beschäftigt, Dinge nachzuarbeiten.
Das leider mehr Stress, als gar nicht in den Urlaub zu fahren. Und ich hab's schon echt gut, weil Hanno bei uns in der Beziehung derjenige ist, der die gesamte Reiseorganisation übernimmt (meine Dienstreisen mit eingeschlossen). Einberechnet ist also nicht mal der Stress der Urlaubsorganisation.
🍵 Lieber den Alltag entschleunigen
Ich gebe zu, dass ich am Anfang meiner Selbstständigkeit eher, äh, ja, extrem unentspannt war. Wie sich herausstellte, bin ich ein Workoholic, wenn ich Dinge mache, die ich gerne mache.
Drei Jahre lang war ich der Meinung war, sieben Tage die Woche immer voll durchpowern zu müssen. Kein arbeitsfreier Tag, kein Urlaub. Wenig später kam – Überraschung – das Burnout.
Seitdem arbeite ich daran, mein Leben zu entschleunigen. Und ja, seitdem fällt mir auf, dass alle um mich herum andauernd sagen, dass sie "urlaubsreif" seien. Ich kenne kaum eine Person, die nicht dauergestresst ist.
Das kann doch auf Dauer nicht nur für mich ungesund sein...?
🏝 Urlaub als Kompensation für den Dauerstress?
Ich habe für mich zumindest gelernt, dass es wichtig ist, mir mal Gedanken über meine Prioritäten im Leben zu machen. Bei mir ist das körperliche und mentale Gesundheit.
Im nächsten Schritt habe ich mir überlegt, wie ich mein Leben gestalten kann, um diese Sachen zu gewährleisten. Und das bedeutete für mich, an Stellschrauben im Alltag zu drehen. Denn für mich ist mein Alltag meine Normalität und nicht die zwei Wochen Sommerurlaub.
Das heißt natürlich nicht, dass ich nie Arbeitsstress habe, wie meine lieben Kolleg:innen bestimmt sehr gerne bestätigen. Aber ich würde schon sagen, dass meine Grundzufriedenheit mit meinem (Arbeits-)Alltag inzwischen sehr hoch ist.
Betonung auf "inzwischen" – denn das ist das Ergebnis von vier Jahren Bemühungen, meinen Alltag zu entschleunigen (Stand Januar 2022). Glaubt mir, beim ersten Verfassen dieses Artikels 2018 war ich sehr viel verkrampfter und unruhiger.
🧘 Wie sortiere ich mich da am besten?
Ich habe mit vielen Menschen schon über dieses Thema gesprochen. Und viele haben mich gefragt, ob ich eine Auszeit empfehlenswert finde, um sich zu sammeln und zu sortieren. Und ob so eine Auszeit nicht streng genommen ja doch wieder ein Urlaub wäre. 😂
Ich persönlich denke, dass eine Auszeit und Erholung immer ein guter Ansatz ist. Eine Auszeit ist meiner Meinung nach aber nicht das Gleiche wie ein Urlaub!
Die Auszeit, um sich zu sammeln, dient dazu, Schwung zu bekommen, um die Dinge hinterher besser zu machen. Um hoffentlich nicht direkt danach schon wieder in den alten Trott zu rutschen.
Eine Auszeit und Erholung kann auch eine zehnminütige Meditation oder eine Runde im Wald oder Park sein. Oder eine lange, erholsame Nacht. Vielleicht auch ein paar freie Tage, die man Zuhause verbringt.
Natürlich kann auch ein Tapetenwechsel helfen, den Kopf frei zu bekommen. Dazu muss man allerdings nicht weit reisen. Hanno und mir hilft es oft, uns einfach mal in ein Café zu setzen und dort Dinge durchzusprechen. Oder wir gehen eine Runde spazieren. Oder machen mal Sport. Oder fahren zu den Eltern. Nope! Das haben wir ausprobiert – das macht vieles, aber keinen freien Kopf. 🤪
🗺 Heißt das, du bist gegen das Reisen?
Nein, ich bin nicht pauschal gegen das Reisen. Ich bin aber aus Klima- und Umweltschutzgründen schon gegen diese Reisen, wie sie heute oft üblich sind, wie z.B. um die Welt zu jetten, Pauschalurlaub zu machen und vor allem alles so kurz, dass man nicht wirklich sich mit den Orten oder den Gegebenheiten vor Ort überhaupt auseinandersetzen kann.
Und klar, ich muss mir da auch mal an meine eigene Nase fassen. Eigentlich müsste ich mir sogar feste dagegen hauen. Ich habe nämlich auch schon mal mit meiner Mutter einen All-Inclusive-Pauschalurlaub in der Türkei gemacht. Noch schlimmer: Ich war mit meiner Mutter auf einer Kreuzfahrt auf dem Nil. 💔
Wofür ich schon viel Beef bekommen habe, ist übrigens auch für die Aussage, dass ich denke, dass gerade Fernreisen viel zu sehr romantisiert werden. Die Realität während der Reise ist meistens viel weniger glamourös, als das, was man auf Social Media postet.
Die Wahrheit ist, dass Fernreisen verdammt stressig sind, der zusammengepferchte Flug, Jetlag, man spricht die Sprache nicht, das Essen bekommt einen nicht usw... Wenn’s also wirklich ums Entspannen geht, ist es realistischerweise eigentlich deutlich stressfreier, mal zu gucken, was man nicht vor der eigenen Haustür erkunden kann.
🚶 Slow Travel vs. Fast Travel
Was ihr zur Einordnung meines Geschwafels hier wissen solltet, ist, dass ich das Privileg hatte, im Studium mehrmals ins Ausland zu gehen. Ich habe im Bachelor 7 Monate auf Teneriffa gelebt, zwischen Bachelor und Master knapp 3 Monate Praktikum in Taiwan gemacht und im Master zwei Semester in Tokio studiert. Da hab ich natürlich leicht reden von wegen man muss ja nicht weit weg, bla bla.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus gesprochen denke ich schon, dass Auslandsaufenthalte sehr prägend sind – und das zumindest meistens positiv. 😂
Und trotz der klimatischen Kosten finde ich es sehr cool, wenn mir Leute erzählen, dass sie ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, Auslandssemester, Praktikum, Work & Travel oder Sabatical planen.
Das erlebt man einfach so viel intensiver als eine "normale Urlaubsreise". Und wenn wir schon diese ökologischen Kosten in Kauf nehmen, dann sollten wir doch auch richtig was rausholen, oder?
⚓️ Weniger ist mehr: Qualität statt Quantität
Die traurige Wahrheit ist auch, dass wir einfach zu viel reisen. Wir reisen kurz, aber häufig. Mindestens ein großer Urlaub pro Jahr gehört für die meisten zum Lebensstandard dazu.
Und damit leben wir einfach maßlos über unseren klimatischen Verhältnissen – ohne wirklich viel davon zu haben!
Meine Mutter war bis zur Rente Reiseleiterin für Bustouren in Europa und glaubt's mir, auf den Bustouren von ihr bekommt keine der Reisenen beim Zeigen der Fotos hinterher noch auf die Reihe, die Orte und Geschehenisse auseinander zu halten.
Meine große Tante – das ist die große Schwester meiner Mutter (und ja, die kleine Schwester meiner Mutter ist die kleine Tante 😂) – ist zum Beispiel gar nicht viel in ihrem Leben gereist. Einmal in ihrem Leben nach Europa (da hat sie natürlich uns besucht) und einmal nach Kanada.
Das hat ihr auch vollkommen gereicht! Sie hat bis zu ihrem Tod vor wenigen Monaten gerne davon erzählt und sich an alle Details erinnert.
Bei Hannos Oma ist's ähnlich. Sie hat ihr ganzes Leben in NRW verbracht und war nur einmal im Ausland – in Österreich. Sie war noch nicht mal in Holland, obwohl sie fast nur einen Steinwurf von der holländischen Grenze entfernt lebt!
Fehlen tut ihr nichts. Stattdessen wundert sich sich immer, warum heute alle so gehetzt durchs Leben gehen und immer unter Druck stehen. Von der inneren Ruhe und Gelassenheit können Hanno und ich nur träumen! Aber hey, man braucht ja auch noch Ziele im Leben. 😉
Mehr zum Thema Reisen und Nachhaltigkeit...
Hanno und ich machen das so
Die oberste Priorität für uns ist, unseren Alltag innerhalb des uns möglichen Rahmens für uns gesünder zu gestalten. Wir arbeiten schon auch viel, weil einfach gerne. Aber genauso gerne gönnen wir es uns, an Arbeitstagen auszuschlafen und uns so lange Pausen zu nehmen, wie sie uns gut tun. Wir beschließen auch oft spontan, den Tag einfach frei zu machen und anders zu genießen.
Wir fahren eigentlich nicht mehr in Urlaub – und wollen schon gar nicht in Urlaub fliegen. Seit 2014 haben wir das zweimal probiert – zu stressig. Stattdessen wollen wir gerne mal – angelehnt an die Idee eines Freundes von uns – gerne mal "Arbeitsurlaub" machen. Also uns 1-2 Wochen mal irgendwohin zurückziehen, um ungestört an Herzensprojekten, die sonst im Arbeitsalltag untergehen, zu arbeiten. Da dann die Pandemie dazwischen kam, haben wir das einfach von Zuhause gemacht. Hat uns auch gut gefallen! Und natürlich machen wir als Belohnung dann gerne wieder ein paar Tage frei!
Wenn wir beruflich wo sind, hängen wir aber gerne mal einen Tag dran oder nutzen die Zugfahrt, Freunde oder Familie, die auf der Strecke wohnen, zu besuchen.
Wir reisen grundsätzlich nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Innerhalb Europas wollen wir auf keinen Fall fliegen. Ich habe viele Vortragsanfragen in anderen europäischen Ländern abgelehnt, weil mir tatsächlich oft nur Flüge angeboten wurden.
Wir wollen auch sonst eigentlich nicht fliegen und planen keine Fernreisen. Aber wir schließen es nicht aus. Als wir 2017 unseren Auwanderungsversuch nach Kanada gemacht haben, sind wir auch geflogen, weil wir uns die Reise auf einem Frachtschiff schlichtweg nicht leisten konnten (4000€ pro Person pro Strecke). Aber hey, nach einem Jahr sind wir doch wieder zurück nach Deutschland gekommen. Wir hatten ja gehofft, uns zumindest den Rückflug sparen zu können. 🤪
Bei mir ist es ja auch noch so, dass meine gesamte Familie bis auf meine Mutter in Taiwan lebt. Ich habe sie seit über acht Jahren nicht mehr gesehen. Es gab seitdem auch drei Todesfälle in der Familie. Und da denke ich schon, dass ich irgendwann noch mal viele mir liebe Menschen meiner Familie face-to-face sehen möchte. Aber dann natürlich gut überlegt und so geplant, dass Hanno und ich dann auch länger (= mindestens ein Jahr) da bleiben können.
dorothea
Ein sehr schöner und wahrheitshaltiger Artikel. 🙂 Warum in die Ferne schweifen, wenn das gute liegt so nah?
Ich habe das Gefühl das Fernreisen auch eine Art Statussymbol sind, um so mehr Flüge und um so dreckiger um so besser. Das schlechte Gewissen wird dadurch beruhigt dass man ja einen Baumwollbeutel mit zum Einkaufen nimmt und seinen Müll trennt. Ich habe durchaus Verständnis dafür wenn man die Welt sehen will, aber dies sollte aber der Umwelt zu liebe wohldosiert geschehen. Lieber alle paar Jahre eine ausgedehnte und schöne längere Fernreise (mit Ausgleich der CO2-Emissionen!), und sich ansonsten mal anschauen was es bei einem schönes in der Nähe gibt. Eine Kollegin von mir ist ausgesprochene Deutschland-Freundin, sie schwärmt immer von ihren Reisen in den Harz, nach Bayern und an die See. Ich glaube nicht dass ihre Urlaube weniger schön sind als von den Fernreisen-Fans mit Baumwollbeuteltendenz.
Ich bin dieses Jahr mal ein bisschen vorbildlich und verbringe meinen Urlaub recht dicht dran an meiner Heimatstadt Hamburg. Im Sommer war ich zwei Wochen auf Hiddensee, einer bezaubernden Insel nahe Rügen die autofrei, wenn auch etwas zero-waste-beschränkt ist. Denn natürlich habe ich den Laden mit Milch in der Pfandflasche und Butter in Pergamentpapier erst am letzten Tag entdeckt! Diese Insel erreicht man auch prima per Bahn und Fähre, Fahrräder kann man billig mieten. Ich empfehle den Juni, da macht noch keiner Urlaub da, die Preise sind noch zu ertragen und die Insel ist schön leer.
Weiterhin bin ich ein großer Dänemark-Fan. Dieses wunderbare Land liegt für uns Norddeutsche praktisch direkt vor der Haustür. Man ist im Ausland, und trotzdem ist man nicht weit weg von zuhause. Kulturell und von der Natur her hat Dänemark viel zu bieten.
Mein Freund hat übrigens vor dreissig Jahren mehrere Fahrrad-Reisen mit seinen Freunden unternommen. Obwohl es schon so lange her ist schwärmt er heute noch davon was er alles gesehen und erlebt hat. Er war mit dem Fahrrad in Frankreich, England (wobei da wohl noch die Bahn ihre Finger im Spiel hatte) und ich meine auch in Belgien. Geschlafen wurde wo es sich angeboten hat, gegessen und getrunken wurde was da ist, und sie haben auch häufiger mal wilde Minze für Tee an Bächen geerntet.
Liebe Grüße,
Dorothea