In Deutschland scheinen wir Mülltrennung ja schon mit der Muttermilch aufgesogen zu werden. Aber was passiert eigentlich mit unserem Müll, nachdem er abgeholt wurde? Was wird davon wirklich recyclet?
Das Mülltrennungssystem in Deutschland ist ganz schön komplex – und aufgeteilt in viele, viele Kategorien. Hier die relevantesten für uns im Alltag:
- Papier
- Gelber Sack für Verpackung (also hauptsächlich Plastik), Dosen und Verbundstoffe wie Pringles-Packungen oder Tetrapaks. In einigen Städten wie bei uns gibt es stattdessen die Wertstofftonne, wo auch Sachen aus den Materialien rein dürfen, die keine Verpackungen sind, wie z.B. Blumentöpfe aus Plastik oder Plastikspielzeug.
- Biomüll: Darin darf nicht nur rein, was kompostierbar ist, sondern in den meisten Fallen auch Essensreste, Milchprodukte und Fleisch 🍏🍗🍞☠️. Das unterscheidet sich aber je nach Entsorger! Lest also unbedingt nach, wie es bei euch vor Ort ist. Biomülltonnen sind nicht überall verpflichtend, so haben wir bei uns im Wohnhaus zum Beispiel keinen Biomüll
- Glass wird nach Farbe getrennt: Weiß (was meiner Meinung nach "transparent" heißen müsste 😜), grün und braun. (Kaputte) blaue Flaschen, die es manchmal für Mineralwasser gibt kommen zum Grünglas.
- Kleidung und Schuhe
- PET-Flaschen: Auf die gibt es 0,25 € Pfand, damit sie auch ihren Weg in den Recycling-Kreislauf zurück finden. Allerdings gilt aus irgendeinem absolut unsinnigen Grunde die Pfandpflicht nur bei Getränken mit Kohlensäre, was wirklich lächerlich ist und das System nur unnötig komplizierter macht!
- Ein weiteres Pfandsystem für Getränkedosen. Immerhin liegen seit der Einführung dieses Pfandsystems wohl kaum Getränkedosen und PET-Getränkeflaschen mit Pfand in der Gegend rum
- Batterien
- Sondermüll: Farben und Lacke (auch Nagellack!!) und was sonst noch so alles giftig ist.
- Elektromüll
- Sperrmüll
- Restmüll - wie der Name sagt eben alles, was am Ende in keine der oben genannten Kategorien fällt.
Wir denken, dass alles, was nicht Restmüll ist, irgendwie recycelt wird. Betonung auf "irgendwie". Denn wir haben eigentlich nur eine ziemlich schwammige Ahnung von dem, was eigentlich passiert, nachdem der Müll abgeholt wird. Aus den Augen, aus dem Sinn...
Ein Teil unserer täglichen Wahrnehmung von Realität ist, dass das [zeigt auf einen Müllberg] einfach aus unserer Welt verschwindet. [...] Natürlich wissen wir rational, dass es [noch] da ist [...]. Aber in unserer grundlegendsten Erfahrung verschwindet es von unserer Welt."
Slavoj Žižek in The Examined Life (während er in einer Müllanlage steht)
Inhaltsverzeichnis:
So kam's, dass wir eine Müllanlage besichtigten
Alles fing letzten Monat an, als ich bei der Stadt anrief, weil ich wissen wollte, was eigentlich mit dem Müll passiert, nachdem er abgeholt wird. Was wird denn davon überhaupt recycelt ♻️? Was wird verbrannt? Was landet auf einer Müllhalde? Was ist eigentlich mit Kronkorken, da ist doch eine Plastikbeschichtung innen? Kommen alte Brillengläser aus Glas in den Glasmüll? Was ist mit Kleidung, nicht nicht mehr gut genug zum Tragen ist?
Ich hatte also viele Fragen, die erst mal keiner so in dem Detail beantworten konnte. Ich wurde am Ende zu Herrn Bertram durchgestellt, Leiter für Vertrieb, Containerdienst und Logistik, der mir alle meine Fragen geduldig beantwortete und uns am Ende sogar eine Besichtigung anbot!
Letzten Freitag war es dann so weit! Hanno und ich wurden von Herrn Betram sogar abgeholt und wieder zurück gebracht, weil die Anlage nur sehr schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen war!
So wird der Müll maschinell sortiert
Hier wird der Abfall sortiert, umgeladen und sogenannte "Ersatzbrennstoffe" daraus hergestellt.
Die Halle für den Restmüll haben wir allerdings nicht besichtigt, weil man den Geruch nur schwer aus der Kleidung wieder heraus bekommt und darauf wollten wir es nicht ankommen lassen 😉.
Als erstes ging es in die Halle für den Sperrmüll. Dieser wird erst mal von einem Arbeiter mit einem Bagger vorsortiert. Das meiste ist Holz, das zur Energiegewinnung (Strom und Dampf) in Biomassekraftwerken verbrannt wird. Matratzen, Polstermöbel und alles, was entweder den kalorischen Wert (Brennwert) vermindert oder sonst irgendwie stört, werden dabei als Störstoffe aussortiert und als Störstoffe in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Metalle werden ebenfalls aussortiert und in Stahlwerken eingesetzt. Matratzen werden beispielsweise später mit dem Restmüll zusammen verbrannt.
Der nun vorsortierte Sperrmüll wird in diese Maschine geladen und dort vorgebrochen und weiter sortiert. Dabei werden leichte Materialien wie Kunststoffe nach oben gewirbelt und nach oben geblasen.
Diese leichten Materialien kommen dann in dieser Halle an, wo auch der andere Plastikmüll aus den gelben Säcken landet.
Hier mal eine Nahaufnahme. Und ja, der Müll riecht natürlich auch 😅. Ich habe auch viele PET Flaschen entdeckt, was sehr schade ist, weil PET getrennt gesammelt natürlich besser recyclebar ist. Daraus werden Stoffe (Polyesther), Teppiche oder nicht lebensmittelechte Boxen hergestellt. Es ist dennoch ein sogenanntes Downcycling, weil dabei qualitativ minderwertigere Produkte entstehen. So weit ich weiß kann Plastik generell auch höchstens einmal recycelt werden.
All das gelangt nun in diese Sortieranlage. Nur ca. 15-20% des Plastikmülls ist recyclebar, der Rest wird zu sogenannten Ersatzbrennstoffen verarbeitet. Ersatzbrennstoffe sind Brennstoffe, die aus Abfällen gewonnen werden und häufig zusammen mit konventionellen Brennstoffen verwertet werden.
Eine Maschine scannt die Oberflächen und kann anhand der Reflexion erkennen, um was für ein Plastikmaterial es sich handelt. Das ist allerdings bei sogenannten Verbundstoffen ein Problem, weil die Maschine nur die oberste Schicht erkennen kann und natürlich nicht weiß, ob darunter nicht noch ein anderes Material verarbeitet ist.
Kleine und schwer zu sortierende Sachen und alles, was nicht recyclebar ist werden nach ihrem sogennanten kalorischen Wert und nach Größe sortiert. Plastik hat einen guten Brennwert, weil es auch Erdöl besteht. Steinkohle hat einen kalorischen Wert von ungefähr 24.000 kJ/kg. Plastik allein hat einen kalorischen Wert von 35.000 kJ/kg, aber weil auch Zellulosefasern mit drin stecken hat der Plastikmüll am Ende einen verminderten Brennwert, der vergleichbar mit Steinkohle ist. Daraus wird dann der oben erwähnte Ersatzbrennstoff, der in Steinkohlekraftwerken mitverbrannt wird und dort einen Teil der Steinkohle ersetzt. Die Sachen mit einem mittelkalorischen Wert (13.000 bis 14.000 kJ/kg) werden in Industriekraftwerken als Brennstoff zur Energiegewinnung (Dampf und Strom) eingesetzt.
Bevor es so weit ist, muss aber natürlich das Metall noch raussortiert werden. Eisenmetalle werden mit einem Magneten herausgeholt, die Nicht-Eisen-Metallen werden in einer Maschine positiv geladen und laufen an einer Platte vorbei, die entgegengesetzt geladen ist, sodass die Metall "herausgeschleudert" werden. Die Metalle werden in der Stahlindustrie wieder verarbeitet.
Am Ende wird noch PVC mithilfe dieser Maschine mit Infrarot-Strahlen erkannt und aussortiert. PVC wird ausgeschieden, weil darin Chlorverbindungen enthalten sind, die beim Verbrennen die Öfen schädigen können.
Die Bänder von Videokassetten sind reißfest und behindern deshalb den Sortierungsprozess und auch die Maschinen, weil sie sich um die Spulen wickeln. Wenn ihr also Videokassetten entsorgt, schraubt sie bitte nicht auseinander, sondern gebt sie als Ganzes in den Restmüll.
Wenn wir jetzt unseren Müll auf den Anfang des Bandes kippen würden, wäre er in nur fünf Minuten durch die ganze Sortierung gelaufen! Das geht aber ganz schön schnell, wie ich finde!
Mehr Recycling-Tipps
Recycling FAQ
Wird der Restmüll sortiert?
Nein.
Landet Restmüll auf Müllhalden?
In Deutschland wird Restmüll normalerweise verbrannt. "Müllhalden sind in Deutschland inzwischen für organische Abfälle geschlossen," erzählte uns Herr Bertram. Leider ist dies in den meisten Ländern, einschließlich der USA, Großbritannien, Frankreich und Spanien aber noch nicht der Fall.
Wird denn irgendetwas, was ich in den Restmüll schmeiße, recycelt?
Ja. Nach der Verbrennung werden die Metalle heraus geholt und die sogenannte Mineralschlacke wird dann im Straßenbau verwendet.
Was passiert mit den ganzen Weihnachtsbäumen nach Weihnachten?
Sie werden gesammelt und in der Biogasanlage vergärt.
Was passiert mit Bioplastik?
Bioplastik kann nicht mit dem Biomüll vergärt werden, weil es viel länger braucht, um zu zerfallen. Im Komposthaufe kann es sogar Jahre dauern, bis Bioplastik zerfällt.
Bioplastik wird auch von den Maschinen noch nicht erkannt, weil der Anteil bisher noch so gering ist, dass es sich auch gar nicht lohnen würde. Er wird also wie normales Plastik behandelt und zur Energiegewinnung als Ersatzbrennstoff verbrannt.
Werden nun die Kronkorken und andere Metalldeckel mit Plastikbeschichtungen innen recycelt?
Ja, die Plastikbeschichtung verbrennt einfach bei der Metallverarbeitung.
Was ist eigentlich mit Tetrapaks und anderen Getränkekartons? Sind sie wirklich so umweltfreundlich?
Getränkekartons sind sogenannte Verbundstoffe. Tetrapak behauptet auf ihrer Webseite, dass ihre Kartons zu 100% recyclebar seien. Davon mal abgesehen, dass das doch sehr zweifelhaft ist (z.B. sind viele der Papierfasern viel zu kurz, um recycelt zu werden), heißt recyclebar noch lange nicht, dass es auch passiert.
Tetrapak besteht inzwischen aus so vielen unterschiedlichen Materialschichten, dass es unglaublich aufwendig und schwierig ist, sie zu recyceln. Die Schichten müssen chemisch getrennt werden, und allein dafür müssen eigene Anlagen gebaut werden. In Deutschland sind es - falls ich mich jetzt recht erinnere - nur drei. Das heißt, dieser Müll muss also auch noch quer durchs Land gefahren werden! Nach Schätzungen werden weit unter 50% aller Tetrapaks in Deutschland recycelt, weltweit sollen es weniger als 20% sein. Und das bittere dabei: Sie wären ja komplett vermeidbar! Alles, was darin verkauft wird könnte auch einfach in Mehrwegflaschen verkauft werden!
Was ist eigentlich mit den Sichtfenstern in Briefumschlägen?
Ich hatte irgendwann mal gehört oder gelesen, dass angeblich die Sichtfenster heutzutage aus irgendwelchen Papierfasern hergestellt werden, die mit dem Papier recycelt werden. Jetzt weiß ich, dass das nicht der Fall ist!
Das Papier wird übrigens aufgeweicht und wie ein Zopf werden alle Störstoffe - darunter eben auch die Plastik-Sichtfenster - herausgezogen. Diese werden dann in Industriekraftwerken verheizt.
Sind Zeitschriften, Kataloge und andere Hochglanzdruckerzeugnisse recyclebar?
Ja.
Sind Sticker aus Papier recyclebar?
Nein. Und wenn man auf eine der Gemüsetüten aus Plastik einen Sticker klebt, ist diese Tüte es auch nicht mehr.
Können Brillengläser aus Glas und Fensterglas in den Glasmüll?
Nein. Sowohl Brillengläser als auch Fensterglas haben einen anderen Schmelzpunkt.
Brillengläser gehören also in den Restmüll, wo sie später in der nach der Verbrennung übrig gebliebenen Mineralschlacke und somit auf den Straßen landen. Fensterglas wird in der Regel als Bauschutt entsorgt und dann als Recyclingschotter wieder der Baubranche zugeführt.
Stören Deckel oder die Ringe von Deckeln im Glasmüll?
Nein. Sie werden mit dem Glas zermahlen und in ähnlichen Verfahren wie oben beschrieben heraus geholt.
Was passiert mit gesammelter Kleidung und Schuhen?
Kleidung und Schuhe werden in bis zu 800 Qualitätsstufen sortiert und verkauft, in der Regel ins Ausland. Es sollte nur das in die Altkleidersammlung, was auch noch getragen werden kann. Was nicht mehr getragen werden kann wir zum Teil an Putzlappenhersteller verkauft. Herr Bertram empfiehlt aber, solche Sachen wie z.B. auch Unterwäsche trotzdem über den Restmüll zu entsorgen.
Der globale Handel mit secondhand Kleidung ist überhaupt kontrovers diskutiert. In vielen Fällen verhindert es nämlich, dass sich in dem jeweiligen Land eine eigene Textilindustrie etablieren kann. Einige Länder wie die Philippinen haben deshalb zum Beispiel den Import solcher Kleidung verboten, um die eigene Textilindustrie zu schützen.
Meiner Meinung nach kann man am besten gut erhaltene Kleidung a Flüchtlingsheime oder soziale Einrichtungen spenden, die sie in der eigenen Einrichtung verkaufen. Oder man kann die Sachen auch dem Secondhandmarkt im eigenen Land zuführen, d.h. direkt in Secondhand-Läden oder über z.B. ebay-Kleinanzeigen, Kleiderkreisel oder Mädchenflohmarkt verkaufen.
Was nicht mehr getragen werden kann, kann man ganz einfach zu Putzlappen umnähen 😉. Oder man schenkt sie als Stoffreste an Personen, die gerne nähen (sofern noch als solche brauchbar und erwünscht).
Fazit
Es war wirklich äußerst interessant, mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Wir haben natürlich schon vorher Fotos oder Bilder im Fernsehen von diesen Müllbergen gesehen. Aber direkt davor zu stehen und den Müll auch riechen zu können ist noch mal ein ganz anderes Erlebnis!
Es ist schon Wahnsinn, was für ein Aufwand das ist! Der Müll muss mit spezialisierten Fahrzeugen abgeholt werden. Wir vergessen häufig, dass dabei auch viel Sprit verfahren wird. Der ganze Müll muss danach aufwendig sortiert und hinterher zu den jeweiligen Anlagen gefahren werden, was zudem ein ganz schöner logistischer Aufwand ist. Dass der Müll dabei quer durchs Land bzw. durch ganz Europa kutschiert wird ist ganz normal. Und das nicht nur bei Materialien, die recycelt werden! Auch bei der Müllverbrennung zur Energiegewinnung kann man nicht einfach alles zusammen verbrennen! Der Müll muss dafür sortiert und zerkleinert werden, und danach wird natürlich auch dieser Ersatzbrennstoff auf LKWs wieder hin und her gefahren, um zum Einsatzort zu gelangen.
Ja, und natürlich betreiben wir auch als Bürger bei uns zu Hause eigentlich Müllmanagement. Es gibt in Möbelhäusern wie IKEA sogar ganze Ordnungssysteme für Müll und deren Trennung! Da lob ich mir doch die Müllvermeidung!
[…] WastelandRebel – Was passiert eigentlich mit dem Müll? https://wastelandrebel.com/de/was-passiert-eigentlich-mit-dem-muell/ (abgerufen am 5. Juli 2021)[2] WWF – Bioplastik. Biokunststoff = Umweltfreundlich? Nicht […]