Das ist die Geschichte, wie Alepposeife mir nicht nur saubere Hände, sondern auch einen freien Kopf bescherte. Sie ist eine echte Minimalisten-Seife!
Inhaltsverzeichnis:
Decision Fatigue – nicht mit dieser Seife!
Das Leben kann so unnötig kompliziert sein, denke ich schon wieder und der Hashtag #FirstWorldProblems ploppt in meinem Kopf auf.
Dieses ermüdende und leicht verzweifelte Gefühl, das ich bekomme, wenn ich wie etwa jetzt in der Drogerie vor einer langen Regalreihe voller Handseife stehe und nicht weiß, zu welcher ich greifen sollte, hat übrigens einen Namen.
Decision Fatigue nennen Psycholog:innen das Phänomen, wenn wir mit zunehmender Entscheidungslast am Tag immer schlechtere Entscheidungen treffen. Wir haben einfach irgendwann keinen Kopf mehr für Entscheidungen, sind aufgebraucht, leer. Deshalb trugen Steve Jobs oder Barak Obama übrigens immer das gleiche Outfit, um sich ihre mentalen Kapazitäten für wichtigere Entscheidungen aufzuheben.
Warum ist alles so kompliziert?
Nun gut, umweltbewusste Konsumentscheidungen zu treffen ist mir wichtig. Also durchatmen und Brainpower zusammenkratzen.
Ich schaue mich um – und sehe nichts als Seife vor mir. Freut sich mein Bad mehr über Mandelmilch oder Sommerfrische? Oder sollte ich doch lieber meiner neurodermitisgeplagten Haut den Gefallen tun und zur parfümfreien Sensitiv-Seife greifen? Apropos leicht reizbare Haut: Wie sieht es bei all diesen Produkten eigentlich mit bedenklichen Inhaltsstoffen oder sogar Mikroplastik aus?
Ich krame mein Handy raus, öffne die Codecheck-App und fange an, Barcodes zu scannen. Da ich gerne vegan leben möchte suche ich während die App lädt – ganz schön schlechter Empfang hier – auf dem Etikett nach einer etwaigen Deklaration, dass das Produkt tierleidfrei zustande kam.
Das bin ich, Shia Su. Genauer gesagt eine frühere Version von mir beim alltäglichen Einkauf im Drogeriemarkt. Blick aufs Handy-Display geheftet, die Stirn in Falten gelegt und leise vor mich hin fluchend, weil es einfach zu viele Barcodes zum Scannen sind.
Heute, über sieben Jahre später, kann ich mich übrigens nicht mal mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen Fuß in eine Drogerie gesetzt habe!
So vielseitig ist Olivenölseife!
Mein Dank geht an den Gemüsehändler
Und all das, weil der persische Gemüsehändler ein paar Straßen weiter mir damals begeistert ein Stück unverpackte Olivenölseife unter die Nase hielt, nachdem er mir Oliven in mein mitgebrachtes Marmeladenglas abgefüllt hatte.
„Damit kannst du dir nicht nur die Hände waschen! Die kannst du für alles nehmen – Haare, Körper oder auch, wenn du mal Wäsche mit der Hand waschen musst,“ erklärte er mir eifrig. „Und schau, keine Verpackung!“
Warum eigentlich nicht, dachte ich, meine Mutter verwendet ebenfalls nach wie vor feste Seife. Der Geruch gefiel mich schon mal, gar nicht parfümiert und aufdringlich, wie ich Seife oft empfand.
Die Olivenölseife roch für mich stattdessen nach Sauberkeit und ein bisschen nach Kindheit, denn als Neurodermitiskind konnte ich parfümierte Produkte nie vertragen und assoziiere solche bis heute mit Jucken auf der Haut.
Eine Minimalisten-Seife ohne Schmu
Ich erinnerte mich außerdem dunkel daran, dass meine Dermatologin mir als Teenie sogar mal zu Naturseifen geraten hatte. „Die sind gerade bei Allergikern hautverträglicher als synthetische Tenside, die Allergien hervorrufen können,“ höre ich ihre Stimme in meinen Gedanken.
Das wollte ich in dem Alter natürlich nicht hören, weil ich Seifenstücke absolut uncool und altbacke fand. Nun gut, synthetische Tenside in marketing-analytisch durchgestylten Plastikflaschen mögen moderner wirken, aber ob sie wirklich fortschrittlicher sind, ist fraglich, denn sie sind biologisch schwerer abbaubar als Seifen, können Allergien hervorrufen und verursachen eine Menge vermeidbaren Plastikmüll.
Vielleicht war es jetzt an der Zeit, etwas altmodisch anmutenden Dingen mal wieder eine Chance zu geben – und alt war in dem Fall wirklich nicht übertrieben.
Alepposeife – die berühmteste Olivenölseife
Olivenölseife wird sogar als die älteste Seife der Welt beworben und kommt mit einer denkbar kurzen und erstaunlich verständlichen Liste an Inhaltsstoffen aus: Verseiftes Oliven- und Lorbeeröl. Keine Stabilisatoren, keine Parfüm- oder andere Zusatzstoffe. Damit ist sie nicht nur eine Natur- und Kernseife, sondern auch vegan und palmölfrei.
Besonders berühmt ist die Olivenölseife aus Aleppo. Heute wird die sogenannte Aleppo-Seife nach wie vor von den gleichen syrischen Seifenmacher-Familien nach Jahrhunderte alter Familientradition hergestellt – allerdings immer noch oft aus anderen Teilen Syriens oder dem Exil.
Aleppo habe so viel verloren, aber nicht die Seifen-Tradition. Das sagte Hala Droubi im Interview mit der Online-Ausgabe der ägyptischen Zeitung The Daily Al-Ahram. Droubi produziert mit anderen Frauen in Syrien Seife, die sie über Social-Media und eine eigene Webseite verkaufen, um gerade Frauen und ihren Familien das Überleben im Krisengebiet zu sichern. Denn Krieg – und sicherlich auch der Neustart im Exil – sind ohne Verdienstmöglichkeiten noch härter.
Ein Produkt mit einer Jahrhunderte langen Erfolgsgeschichte – das klang vielversprechend und die Begeisterung des Gemüseverkäufers für diese traditionsgeladene Seife war ebenfalls ganz schön ansteckend.
Ich ließ mir hoffnungsvoll direkt drei verpackungsfreie Stücke in meinen Stoffbeutel geben und legte Zuhause eins ans Waschbecken, eins unter die Dusche und das Dritte in den Schrank für später.
Es gab kein Zurück
Über sieben Jahre ist das nun her. Und noch immer steht bei uns Zuhause ein Stück Olivenölseife am Waschbecken und eins auf dem Badewannenrand (wir sind umgezogen und haben nun eine Badewanne, in der wir duschen).
Es ist allerdings noch eins neben der Spüle dazu gekommen, denn das benutzen wir als Spülmittel und sonst zum Putzen, z.B. für die Spiegel oder die Fenster. Unter der Spüle haben wir außerdem ein Glas, in dem wir geraspelte Olivenölseife aufheben. Daraus machen wir nämlich hin und wieder Waschmittel.
Ich habe zwischendrin auch immer mal in Unverpackt-Läden oder auch mal auf auf Weihnachtsmarkt andere Naturseifen gekauft und bekomme auch regelmäßig sehr schöne, sicherlich deutliche teurere Seifenstücke geschenkt.
Die anderen Seifenstücke sehen oft viel schöner aus – mit mehreren Farben und oft Stückchen drin wie Kaffeesatz, Meersalz oder Kräuter. Sie schäumen meistens etwas besser, weil sie entweder auf Palm- oder Kokosöl basieren statt auf Olivenöl. Und sie riechen immer besser als die parfümfreie Alepposeife.
Aber immer wieder kehre ich zu ihr zurück – zu meiner Lieblingsseife, der Alepposeife. Sie kostet umgerechnet meistens nur ein Viertel von der anderen Seife in diesen Läden und reizt meine Haut weniger, weil die anderen Seifen irgendwie fast nie die Duftstoffe weglassen können.
Ich mag die Einfachheit, nur ein paar Stücke Olivenölseife auf Vorrat Zuhause zu haben und zu wissen, dass damit nicht nur unsere Körperreinigung, sondern auch Spüli und Waschmittel abdeckt. Dass ich einfach nach einer Seife greifen muss. One soap to rule them all.
Am Ende des Tages bin ich nämlich ein ziemlich einfach gestrickter Mensch, der kompliziert nicht mag. 🤷
Was denkst du dazu?